FRAGEN DES LEBENS


Du, ja du, hast Mühsal und Kummer gesehen! Schau hin und nimm es in deine Hand! Dir überlässt es der Schwache, den Waisen bist du ein Helfer geworden.

Psalm 10, Vers 14

 

Lebensfragen? Ein großes Thema. Und wiederum auch recht klein. Denn wir Menschen suchen nach Sinn im Sein. Oft aber findet sich im Alltag wenig Raum für solcherlei Fragen. Und höchst selten trifft man dort auf viel Verständnis. Nicht in unserer Familie, nicht in unseren Beziehungen, noch weniger im Arbeitsumfeld. Überall dort, wo Beziehungen "institutionalisiert" sind, damit ein gutes "Arbeitsergebnis" zustande kommen kann. Daher geht es dort meist um andere Sachen, als um die Frage nach Sinn. Sie werden allzuoft als eine geistig-philosophische Narretei abgetan. Im Alltag sehen wir uns gezwungen zu funktionieren. Einen Großteil unseres Lebens müssen wir der Gestaltung und Finanzierung unseres Alltags opfern. Lebensfragen bleiben daher oft auf der Strecke.

 

Wer aber in sich spürt, dass die Grenzbereiche des eigenen Horizonts nicht ausreichend Platz finden, für jene Fragestellungen, die Licht ins Leben "darüberhinaus" werfen könnten, der findet hier "in praxis" möglicherweise genau den Raum, der für jene Sehnsucht und jenes Wollen eingerichtet sein müsste.

 

Hier betreten Sie einen Raum, angefüllt bis oben hin mit Lebensfragen. Lebensfragen, die nur dann sichtbar werden, sofern man sich ihnen öffnet, ihnen Bedeutung zukommen lassen möchte, um ihre ureigene Macht auf unser Innerstes aufzuspüren. Sofern Sie als erstes den Impuls in sich verspüren, das sei Unsinn, dann wäre das nicht unbedingt falsch und spräche noch weniger gegen die Realität eines solchen Raumes voller Fragen. 

 

Denn dieser Raum ist plastisch formbar. Er hat Türen und Fenster. Dunkelheit oder Licht. Aufgehoben sind hier lediglich Themen, die Sie als Person mit Ihren Lebensfragen in diesen Raum hereinbringen. Bringen Sie nichts mit, oder fällt Ihnen nichts dazu ein, wäre dies keine schlechte Voraussetzung, denn hier im Raum selbst, werden vielerlei Fragestellungen bald "aus sich selbst heraus" aufscheinen. Denn Sie und ich werden reden. Sie von sich. Und ich bin ein neugieriger Mensch. Ich werde versuchen, Sie vor Fragen zu stellen, auf die Sie, und nur Sie, eine Antwort finden können.

 

Ein mögliche Frage könnte beispielsweise sein: "Worüber beabsichtigen Sie mit mir zu reden?" Es könnte sein, dass Sie vor dem Betreten des Raumes voller Fragen waren, die Ihnen im Moment des Betretens entschwinden. Wahrscheinlicher noch werden Sie sich auf unser Gespräch vorbereitet haben. Vielleicht werden Sie dazu einen Fragenkatalog vorformuliert haben; umso besser, dann ergibt sich aus einer Frage eine nächste Frage, auf die Sie eine Antwort finden werden. Diese Antwort steht dann gewissermaßen im Raum, zwischen uns, so wie die Frage vorher.

 

Kommt es zu einer Frage, die hier im Raum nicht ausreichend Platz findet, dann öffnen wir Fenster und Türen und lassen frische Luft herein. Ist die Frage zu klein oder zu bescheiden für diesen Raum, dann rücken wir solange mit unseren Stühlen umher, bis die Frage so eingehegt ist, damit wir sie weit grundsätzlicher noch in den Blick bekommen. Dann werde ich Ihnen eine gewisse Deutungshilfe anzubieten versuchen, die Sie annehmen oder für sich verwerfen können. Sie bleiben stets der absolute Mittelpunkt des Raumes, solange bis er sich exakt zu Ihrem Wohlbefinden geformt hat. Wäre es aber gar nicht Ihr Wunsch den Mittelpunkt des Raumes zu bilden, dann finden wir gemeinsam einen anderen Mittelpunkt, solange bis er passt für Sie.

 

Der Raum an sich wird immer offen sein. Er verändert seine Größe (oder seine Kraft), auf Sie bezogen, bis Sie das Gefühl bekommen in seiner und somit in IHRER Mitte angekommen zu sein. Wir befragen Ihre Glaubenssätze, Ihre Vorstellungen ganz ohne Apriori, ohne Dünkel, ohne Furcht, ob mit der Frage nach Gott oder auch ohne sie. Der Raum in unserer Praxis besteht aus Sitzgelegenheiten, einem Tisch, einem Schrank voller Geheimnisse, die Sie dort entdecken werden. Und uns beiden, die wir dort ein Gespräch führen.

 

Draußen ist meist viel Ablenkung. Hier pure Konzentration auf Ihre Themen, auf dass sich Ihre Fragen in den Raum hinein entfalten können und der Raum zu Ihrem Raum wird. Sie werden hier gefordert sein. Aber ganz sicher werden Sie mit einer differenzierten Hinwendung auf ihre Gedanken und Gefühle den Raum, der sich mit Ihnen und in Ihnen öffnet und schließt, wieder verlassen und mit ihm den Alltag draußen neu in Erfahrung bringen können. 

 

"BEFIEHL DEN LETZTEN FRÜCHTEN VOLL ZU SEIN; GIB IHNEN NOCH ZWEI SÜDLICHERE TAGE.

DRÄNGE SIE ZUR VOLLENDUNG HIN UND JAGE DIE LETZTE SÜSSE IN DEN SCHWEREN WEIN."

RAINER MARIA RILKE